Ausweitung der Faschingszone
Jubel, Trubel, Heiterkeit? Alles nur Fassade, deckt Ronald Amesmann-Haselbacher, der Autor dieser Zeilen, gnadenlos auf...
HUMBA3, TÄTERÄ & CO
Wer in diesen Tagen mit aufmerksam gespitzten Ohren durch heimische Gefilde flaniert, kann dabei in den je nach Bundesland variierenden Genuss höchst eigentümlicher Befindlichkeitsäußerungen kommen, wie zum Beispiel in Jedlersdorf in Wien „URLI URLI!“, in Güssing im Burgenland „GÜ GÜ SING SING!“, in Timelkam in Oberösterreich „FA GI TI HURRA!“, in Plainfeld in Salzburg „HOBTS A HOND FREI?“, in Sillian in Tirol „RANTE PUTANTE!“, in Lustenau in Vorarlberg „GREOTLI GREOTLI FIZO FAZONEOTLI!“, in Frauenstein in Kärnten „EANTA DO SCHON!“ oder in Kirchberg an der Raab in der Steiermark „GEILOLO!“, deren lauter Vortrag mit schwerem Zungenschlag nur einen Schluss zulässt: Der organisierte Fasching für die vermeintlich Großen ist wieder einmal ausgebrochen.
Allen, die sich darüber ärgern, dass er nicht augenblicklich wieder eingefangen wird, sei zum Trost verraten, dass die Auswüchse des närrischen Treibens in anderen Weltregionen noch viel schwerer zu ertragen sind, was alte Bräuche wie etwa das traditionelle Ausziehen der Touristenmassen bis aufs letzte Hemd beim Karneval in Venedig, die nicht enden wollende Folge von Tusch um Tusch beim nicht nachvollziehbarem Gelächter des Publikums bei den Büttenreden der Jecken im singenden und (worüber nur?) lachenden Mainz und der Krawall der Guggamusi im fernen Land hinter dem Arlberg, deren ohrenbetäubende Kakophonie auch noch in Ländern vor diesem deutlich gehört werden kann, eindrucksvoll unter Beweis stellen.
Den echten Kleinen hingegen ist das ganze bemüht inszenierte Allotria freilich vollkommen egal: Für sie gehört der Fasching zu den Höhepunkten des Jahres, der in zwei eng zusammenhängenden Großereignissen gipfelt – dem Gschnas und der wohlüberlegten Wahl der Verkleidung dafür.
Neidisch blickt der Autor dieser Zeilen auf die heute schier unübersehbare Menge der zur Verfügung stehenden Masken und Larven, denn als er selber noch als junges Semesterchen die Schulbank drückte, gab es lediglich drei Arten von Kostümen für Kinder: Cowboy oder Indianer für Buben, Prinzessin oder Marienkäfer für Mädchen, und fantasievoll aus Geld- oder Zeitmangel von zumeist mütterlicher Hand improvisierte Peinlichkeiten für die ganz Bedauernswerten.
Verantwortungsvolle und gebildete Eltern, für die Begriffe wie Humanismus, Gender Mainstreaming und Politische Korrektheit keine Fremdwörter darstellen, möchten diesen Prinzipien folgend die Wahl der kindlichen Maskerade zum Wohle aller Beteiligten gerne ein wenig in ihrem Sinne beeinflussen, übersehen dabei aber den Umstand, so wenig ihnen das auch gefallen mag, dass gegen gewisse Vorstellungen in den Köpfen ihrer Kinder leider kein Kraut gewachsen ist, was schlussendlich in Wasserzeilen-Kindergartenzeiten beim reinen Mädchengschnas im Anwesen des Autors dieser Zeilen darin gipfelte, dass die eine Hälfte der Partymädels als Fee, die andere als Disney-Prinzessin verkleidet erschien.
Abschließend muss der aufmerksamen Leserschaft noch zu ihrem Scharfsinn gratuliert werden, moniert diese doch völlig zu Recht, dass die in der Einleitung zitierten Narrenrufe unvollständig sind, da ja schließlich ausgerechnet derjenige aus Niederösterreich in dieser Aufzählung fehlt.
Zumindest in der unmittelbaren Nähe der GaLeMo wird jedoch niemand wirklich froh über ihn sein, legt er doch Zeugnis darüber ab, dass die gute, alte Zeit namens WIEN UMGEBUNG nun endgültig der Vergangenheit angehört und auch wenn es wie ein wirklich sehr schlechter Faschingsscherz klingt: „TULLI TULLI!“ – Willkommen in der neuen Bezirkshauptstadt Tulln!
Illustration: Lili Haselbacher