Osternest

Osterfasten! Feldarbeit! Im Märzen gibt es genug asketische und agrikulturelle Gründe für Frühjahrsmüdigkeit - Ronald Amesmann-Haselbacher, der Autor dieser Zeilen, hat zwar nicht vierzig, aber zumindest einen kleinen Tipp zur quadragesimalen Erleichterung parat...

FORTY SHADES OF GREEN

Im Märzen, so das allseits bekannte und beliebte Volks- und Kinderlied, spannt der Bauer bekanntlich die Rößlein ein, und schon pfleget und pflanzet er unermüdlich Land und Bäume, ackert, egget, pflüget und sät von früh bis spät, schuftet mit Rechen und Spaten auf den Wiesen, pfropft Bäume mit edlerem Reis, spart weder Arbeit, Mühe, noch Fleiß, und wenn er dann nach so einem anstrengenden Tag auf weiten Fluren erschöpft und hungrig zurück auf seinen Hof kommt, erwartet ihn anstatt eines deftigen Bauernschmauses lediglich Schmalhans Küchenmeister, denn er hat die kulinarische Rechnung ohne die Quadragesima gemacht, die vierzigtägige Fastenzeit vor Ostern.

Während der Bauer nun grummelnd und grollend sein karges Mahl lustlos verschlingt und es ihm daher rechtschaffen egal ist, dass der Melodiebeginn des ihn besingenden Liedes den ersten vier Takten des ersten Menuetts von Wolfgang Amadeus Mozarts Haffner-Serenade (KV 250), allerdings in Moll stehend, entspricht, möchte der Autor dieser Zeilen die Gelegenheit nutzen, seinen bekannt naseweisen Zeigefinger zu erheben, denn es gilt, ein großes Missverständnis aufzuklären.

40 (in Worten: Vierzig) ist ja prinzipiell eine faszinierende Zahl. Sie ist die Symbolzahl der Prüfung, der Bewährung, der Initiation. In manchen Kulturen repräsentiert sie den Tod, in anderen wiederum ein gelecktes Best-of-Album der Rolling Stones, einen Song von U2 auf deren drittem Studioalbum „War“ oder, in diesen Zeiten wichtig wie schon lange nicht mehr, eine Nationale Gedenkstätte der WiderstandskämpferInnen gegen das NS-Regime am Wiener Zentralfriedhof. Ali Baba bezwang ebenso viele Tunichtgute, wie Songs in der aktuellen Hitparade gelistet sind, Tore der Weisheit esoterisch schwurbelnd geöffnet werden können, Wagen voller Whiskey im Filmklassiker mit Burt Lancaster westwärts fuhren und es Wochen dauerte, die wir alle in Mamas Butzibauch verbrachten.

40 (in Worten: Vierzig) ist ein auch ein gutes Alter, liegt es ja fast genau zwischen der Abgeklärtheit der Beatles („When I’m 64“) und der Klage von Juliane Werding („15 ist ein undankbares Alter“), aber die Allüren der zumeist unter Männern weit verbreiteten Midlife-Crisis, schonungslos aufgedeckt von Dorthe Kollo („Zum achten Male vierzig“), lassen eine fundierte Interpretation dessen ja leider nicht zu, wie Erich Rauschenbachs Cartoonsammlung „Vollkommen fix und vierig“ eindrücklich beweist.

40 (in Worten: Vierzig) ist also vieles – aber eines mit Sicherheit nicht: die Anzahl der Tage der Fastenzeit vor Ostern.

Damit die Dauer des Osterfastens auch wirklich im Zeitrahmen zwischen Aschermittwoch und Karsamstag dem vierzigtägigen Fasten Jesu in der Wüste entsprechen kann, wurden ab dem 5. Jahrhundert nämlich die Sonntage als sogenannte „kleine Auferstehungstage“ vom Fasten ausgenommen, eine Erkenntnis, die unseren mürrischen Bauer ebenso freuen wird, wie viele andere, die sich in diesen Tagen der hehren Kunst der Selbstkasteiung widmen, von der sie sich ab jetzt einmal pro Woche unter lautem Aufatmen und Durchschnaufen befreit fühlen dürfen.

Wem trotz dieser unerwarteten Pausen die Fastenzeit immer noch zu lang erscheint, sollte aber bitte nicht den gleichen Fehler machen, der dem Autor dieser Zeilen in seiner Zeit als Mini-Semesterlein dereinst einmal unterlaufen ist, als er, die Wartezeit auf den Besuch des Osterhasen kaum noch abwarten könnend, aus allen Wolken fiel, nachdem er freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen wurde, dass er sich freilich schon noch ein wenig länger bis dahin gedulden müssen werde, denn entgegen seiner Ansicht folgt auf den Aschermittwoch leider nicht unmittelbar der Gründonnerstag.

Illustration: Lili Haselbacher