Was haben Goofy, Nina Hagen und Marco Polo gemeinsam? Ronald Amesmann-Haselbacher, der Autor dieser Zeilen, weiß allerhand Erstaunliches darüber zu berichten...

Nudelmanderl

BESSER NUDELDICK ALS SPANNENLANG

Immer wenn der Autor dieser Zeilen im ehemaligen Österreichischen Küstenland an der oberen Adria im kleinen, aber umso feineren Supermarkt seines Vertrauens vor den schier endlosen Regalen voller Pasta steht und überlegt, ob er zusätzlich zu den bereits im Einkaufswagen liegenden  Fusili Bucati Corti, Gnochetti Sardi, Vermicelli, Cellentani, Bavettine und Conchiglie Rigate vielleicht noch die eine oder andere Packung Ruote, Trofie, Rigatone oder Reginette als essbares Souvenir dazugeben soll, überfallen ihn hinterrücks längst verdrängt geglaubte Erinnerungen an finstere kulinarische Zeiten.

Als nämlich der Autor dieser Zeilen in den Tagen von Glockenhosen, Barbapapa und Glam Rock als ganz junges Semesterlein in die Volksschule ging, manifestierten sich Nudeln in lediglich drei höchst unerfreulichen Aggregatzuständen: Fadennudeln, Buchstaben oder Sternchen, die zwischen dem Gemüse und den Fettaugen in der Suppe schwammen, Spiral- und Bandnudeln als Beilage zu wenig kindgerechten Speisen wie Rindsschnitzel oder Schwammerlsauce, und schlimmer noch, Hörnchen und Fleckerl vermischt mit Wurst, Kraut oder den Resten der bereits erwähnten Speisen.

Die ungläubig bestaunten Erzählungen von Italienreisenden, die von mysteriösen Gerichten namens BASTASCHUTTA, bei dem es sich um meterlange Nudeln namens SCHBAGETTI in einer Sauce aus Fleisch und Paradeisern handelte, über die dann auch noch geriebener Käse gestreut wurde, und RAFFIOLI, mit allen möglichen Zutaten gefüllte Teigtaschen, berichteten, schlugen daher nicht nur wie eine Bombe im Gusto ein, sondern begannen,  trotz anfänglich wirklich schauderhafter Nachkochversuche an heimischen Herden, den hiesigen Nudelhorizont nachhaltig zu erweitern.

Nina Hagen, die Grand Dame des bundesdeutschen Punkrocks, hatte übrigens einen ebenfalls nicht zu unterschätzenden Anteil an dieser kulinarischen Aufklärung, denn hätte sie ihre Begleitband nicht fristlos entlassen, hätte diese in Folge wohl kaum unter ihrem neuen Namen SPLIFF mit der Single CARBONARA einen Riesenhit gelandet, der zu Beginn der Achtzigerjahre so neugierig auf die Pasta gleichen Namens machte, dass danach endgültig alle Nudeldämme brachen, was die allgemeine Freude an exotischen Teigwaren aus aller Welt wie Piroggen aus Osteuropa, Fleisch- oder Kasnudeln aus Kärnten, oder gar Ramen, Wan-Tan und Gyoza aus dem Asiaten ums Eck eindrucksvoll beweist.

Art Babbitt schließlich, der vor auch schon wieder beinahe neunzig Jahren Goofy, den treuen und viel lustigeren Freund der immer ein wenig zu naseweisen Micky Maus erfand, hätte sich vermutlich auch nicht träumen lassen, dass er dem Autor dieser Zeilen zu der für ihn seinerzeit unerhörten Erkenntnis verhalf, dass nämlich, wie ihm die Ferienlektüre von DAS GROSSE GOOFY ALBUM – EINE KOMISCHE HISTORIE 4 im Jahre 1978, in dem Goofy in seiner Rolle als Sidekick von Micky als Marco Polo brillierte, ausgerechnet im Sommerurlaub im ehemaligen Küstenland an der oberen Adria verriet, dass Nudeln mitnichten aus Italien, sondern aus China stammen, was auch erklärt, warum sie heute hauptsächlich in getrocknetem Zustand erhältlich sind, denn frisch hätten sie die lange Reise damals kaum überstanden, was deren Beliebtheit von Anfang an vermutlich wenig zuträglich gewesen wäre.

Wer nach dem Lesen dieser Zeilen nun unbändigen Appetit auf den Genuss von Nudeln in welcher Form auch immer bekommen hat, sei hiermit eindrücklich dazu aufgerufen, diesem Verlangen ohne lustfeindliches Kalorienzählen hemmungslos nachzugeben, denn besser könnte der am 25. Oktober ausgerufene Weltnudeltag nicht gefeiert werden, zu dem alle besonders herzlich eingeladen sind.

Nur der Erfinder der Dosenravioli muss leider draußen bleiben.

Illustration: Lili Haselbacher